[Quelle: Aktuelle Woche (23.4.2008)]
Hans-Jörg Sehrbock besitzt über 130000 Exemplare / Kulturgeschichtlich
bedeutsame Sammlung
Hasperde. Während sich die Deutschen im vergangenen Jahr dem Genuss von rund 196,8 Millionen Hektoliter Gerstensaft hingaben und dabei vorrangig auf
Dinge wie Farbe, Geschmack und Blume achteten, interessiert sich Hans-Jörg Sehrbock aus Hasperde nicht nur am heutigen Tag des deutschen Bieres allein für die Unterlage, den
Bierdeckel. „Das ist das erste, worauf ich in einem Lokal achte“, erklärt der 51-jährige Bierdeckelsammler. Der gebürtige Dortmunder („meine Heimat
verpflichtet“) ist Bierdeckelfachmann, sammelt seit 1966 und nennt mittlerweile über 130 000 Exemplare aus mehr als 170 Ländern sein Eigentum. „Es gibt wenige, die größer
sind, aber auf die Zahl kommt es eigentlich gar nicht an“, so Sehrbock. Der weltweite Kontakt zu Bierdeckelsammlern reizt den leidenschaftlichen Sammler ganz
besonders. „Da wird auf internationalen Börsen nicht nur über Bierdeckel gefachsimpelt, sondern abends beim Bier auch mal über Politik diskutiert.“ Besonders gut
sortiert ist Sehrbrock im Hinblick auf die regionalen Brauereien des Weserberglandes. Sein liebster Deckel ist ein über 100 Jahre altes rundes Stück Pappe der Hamelner Brauerei
Förster und Brecke.
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„Der ist einmal bei einem Umbau hinter einer Holzwand gefunden worden,
wo er die Zeiten überdauert hat“, so Sehrbock stolz. Jeder Sammler habe so seinen Lieblingsdeckel. Die „blaue Mauritius“ der Bierdeckelsammler allerdings gäbe es nicht.
In seinem Keller verwahrt Sehrbrock rund 1000 Kartons mit je 150 bis 200 Deckeln, alphabetisch nach
Städten geordnet. In speziellen Alben können die interessantesten Stücke betrachtet werden.
Sie geben einen Einblick in längst vergangene Zeiten. Darunter auch Deckel mit politischen Inhalten wie
etwa jener aus der Zeit, da der Verlust der deutschen Kolonien nicht nur die Stammtischbrüder erregte.
Sehrbock: „Früher, in den 20er und 30er Jahren, war der Bierdeckel auch ein Botschafter der jeweiligen
Region, bildete etwa Gebäude ab, die nicht mehr existieren, heute ist er eher ein massenhafter
Werbeträger geworden.“ Natürlich ist auf vielen regionalen Deckeln auch das Rattenfängermotiv abgebildet.
Ein Deckel mit Steuererklärung allerdings, den kann auch Hans-Jörg Sehrbock nicht vorweisen.
Besonders spannend ist für den passionierten Bierdeckelsammler die Jagd auf Kleinstauflagen. „Da muss man immer am Ball sein,
denn die gibt es oft nur als 500er Auflagen zeitlich und regional begrenzt.“
Zwar habe, so Sehrbrock, das Internet den Zugang zu Foren und Sammlerbörsen spürbar internationalisiert,
doch habe der Bierdeckelhandel à la eBay auch Nachteile: „Das lohnt sich zwar, wenn es um seltene
historische Deckel geht, aber wenn schon Neuauflagen gleich nach Erscheinen verkauft werden, dann sperren sich die Brauereien verständlicherweise.
Zum Nachteil der Sammler.“
“Komplett ist so eine Sammlung nie”
Im Gegensatz zu Briefmarken sei eine Bierdeckelsammlung thematisch nie komplett.
Seine sehr in die Breite gehende Sammlung werde er in Zukunft reduzieren. „Einen Erben dafür gibt es nicht“, so Sehrbock nachdenklich.
Von der Leidenschaft des Bierdeckelsammelns aber wird er nicht lassen können, hat doch gerade in seiner unmittelbaren Nachbarschaft in Hasperde eine Kleinstbrauerei aufgemacht und
natürlich auch Bierdeckel herausgebracht. Klar, dass Sammler Sehrbock auch dieses Exemplar schon inventarisiert hat.
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